Spüren Sie auch diesen Drang nach Norm, Einheitlichkeit und Eigennutz in unserer Gesellschaft? Es beginnt schon bei der Form der Gurken oder der makellosen Schale von Äpfeln im Supermarkt. Das Auge ist mit und was nicht so aussieht, wie es nach dem Idealbild auszusehen hat, wird nicht gekauft oder gegessen. Auf den großen monokulturell bewirtschafteten Feldern der Landwirtschaft ist zu sehen, wie akkurat die Pflanzen nebeneinander stehen, alle sind einheitlich und hybride. Tausende und abertausende Maispflanzen stehen Reih in Reih. Auch wenn sie dadurch einen Angriffspunkt für Schädlinge bieten, quasi das Maiszünsler-Schlaraffenland darstellen. Es existiert eine Norm, eine überschaubare Ordnung und alles ist wirtschaftlich zu bearbeiten. Und wehe da fällt einer aus der Reihe, es keimt ein unerwünschtes Kraut zwischen den akkurat angeordneten Zeilen. Ein Herbizid wird es richten, gegen das die Maispflanzen resistent sind, die Bodenorganismen weniger. Es muss alles seine Ordnung haben und keine noch so kleine Distel darf Nährstoffe entziehen und den Ertrag schmälern.
Die geplante neue EU-Saatgutverordnung wird sehr viele alte Obst- und Gemüsesorten zum Aussterben verdammen. Sorten, die schon in Klöstern des Mittelalters angebaut wurden und seit Jahrhunderten genutzt werden, etabliert sind, müssen dann einem Genehmigungsverfahren unterzogen werden. Viele Vermarkter dieser Sorten können sich das kostenintensive Genehmigungsverfahren wahrscheinlich nicht leisten. Salatsorten wie Forellenschluss werden dann vielleicht nur noch bei den Hobbygärtnern wachsen, wobei sie auch sehen müssen, wo sie ihr Saatgut herbekommen.
Hintergrund ist hier die Saatgut-Industrie. Wenige große Konzerne beherrschen den Weltmarkt und möchten ihre hybriden Sorten natürlich gerne konkurrenzlos verkaufen und somit die Weltbevölkerung abhängig machen von ihren Sorten. Schließlich kann man aus den Früchten hybrider Sorten kein Saatgut fürs nächste Jahr gewinnen und muss den Samen dann jährlich vom jeweiligen Konzern erwerben. Hintergrund ist hier einerseits auch wieder eine Vereinheitlichung. Vorrangig treibt hier jedoch der ökonomische Egoismus sowohl Saatgut-Konzerne als auch Politiker an. Inwieweit die Verordnung so beschlossen wird, bleibt abzuwarten. Und auch, ob es letztlich zu einer Art Lebensmittel-Diktatur kommt. Schließlich wäre dann die Ernährung der Weltbevölkerung abhängig vom Wohlwollen einiger weniger Saatgut-Konzerne.
Auch die Tiere der Massentierhaltung müssen bestimmte Normen erfüllen. Sie stehen einheitlich in Reih und Glied auf dem Gitterboden der Ställe, existieren in ihrem tristen Dasein und werden schließlich – maschinell und im einheitlichen Takt – geschlachtet. Hoch gemästet, sodass der Mastzeitraum exakt eingehalten und das festgelegte Schlachtgewicht erreicht wird. Alles absolut egoistisch ökonomisch optimiert.
Selbst unter den Menschen herrscht jener Einheitszwang. Wer abweicht, wird zum Außenseiter, zum Sonderling und nicht selten zum Ausgestoßenen, Gemobbten. Und der Mobber mobbt, um besser selbst dazustehen. Das ist sein Gewinn.
Wer gegen die gängigen Meinungen verstößt, hat verloren. Medien und Politik fördern dieses Einheitsdenken noch, anstatt ihm entgegen zu wirken und die Vielfalt zu fördern.
Doch woher kommt das? Von dem Drang, alles kontrollieren zu wollen? Alles einordnen zu können?
Draußen im Garten vor dem Haus sitzt eine Birke. Sie ist so alt, wie das Haus, das von meinem Großvater 1950 erbaut wurde. Also hat sie bereits 63 Jahre auf dem Buckel. Und ein Nachbar, der sich an allem Grünen stört, der die Hecke rund um seinen Garten durch eine Mauer ersetzt hat, verlangt nun den Tod der Birke. Die vielen Blätter und Blütenstände, die der Baum nun einmal im Herbst und Frühjahr abwirft, stören ihn. Längst in Vergessenheit gerät, dass er die Blätter stets weggefegt bekam. Der Baum stört, der Baum soll weg. Lieber alles kahl und selbst keine Arbeit.
Andererseits ist anzunehmen, dass auch der Nachbar Sauerstoff mag, will aber keine Blätter. Man profitiert von der Funktion des Baumes als Feinstaubfilter, will aber keinen Blütenstaub. Man schätzt die Birke als Schattenspender und Regulator des Mikroklimas, aber man will partout nicht ihre Blütenständen akzeptieren.
Auch hier offenbart sich das allgemeine gesellschaftliche Problem. Das Streben nach Kontrolle und der wachsende Egoismus. Nur der Eigennutz zählt.
Da wachsen millimetergenau gemähte Rasenwüsten in den Gärten, exotische Blühpflanzen ohne Nutzen für die heimischen Insekten, grazile japanische Gräser anstatt kompakte heimische Hecken. Nur um das Auge zu erfreuen und den eigenen Durst nach Ordnung und Exotik zu stillen. Doch man erfreut sich auch gerne an den vorbei flatternden Faltern, an dem Zwitschern von Vögeln und dem wuselnden Igel. Und man beklagt sich zugleich über ihr Fehlen, sagt, dass etwas getan werden müsste. Dass man aber eh nichts ändern könne.
Man möchte eine gute Zukunft für die Kinder. Doch selbst im Garten hinterm Haus nutzt man nicht die Gelegenheit, einen Beitrag zum Artenschutz zu leisten!
Man will Nachhaltigkeit fördern, doch wenn es um die eigene Zukunft – die Altersvorsorge – geht, nutzt man eine konventionelle private, zusätzliche Rentenversicherung, um möglichst höchste Renditen zu erzielen.
Ich hatte letztens ein Gespräch mit einem Versicherungsberater. Er prüfte meine bestehenden Verträge und stieß auf eine private Rentenversicherung, die auf Nachhaltigkeit setzt. Und er fragte mich, weshalb ich ausgerechnet diese Versicherung abgeschlossen hätte. Als ich ihm das Argument nannte, ich wollte Altersvorsorge mit Nachhaltigkeit verbinden, erhielt ich praktisch die Antwort, das Eine habe mit dem Anderen nichts zu tun. Man müsse sich zwar um die Natur Gedanken machen und er sei ja auch Freund von erneuerbaren Energien. Doch ginge es letztlich um die eigene Altersvorsorge. Da sei es wichtig, die Prioritäten anders zu setzen.
Tatsächlich? – dachte ich. Ist das so? Sollte man gerade bei der Altersvorsorge nicht erstrecht die Prioritäten bei der Nachhaltigkeit setzen? Sollte man das Pflänzchen des Rentenwachstums von künstlichem Dünger und Giften abhängig machen? Sollte man es mit dem Kühlwasser der Kernkraftwerke gießen, es düngen mit dem Schwarzpulver der Kriege und es impfen mit dem genetisch veränderten Pollen von Egoismus und Wachstumswahn?
Worin investieren konventionelle Versicherungskonzerne die eingezahlten Prämien der Kunden? In Sonnenblumenfelder und blühende Landschaften sicherlich nicht… Soll ich mich somit zum Geldgeber für Atomenergie, Waffenindustrie und Gentech-Konzerne machen? Mir graut vor diesem Gedanken.
Und was ist verwerflich daran, sich bei der Altersvorsorge auf regenerative Energien und die Biolandwirtschaft zu verlassen? Bestehen hier größere Risiken als bei konventionellen Anlageformen? Oder gibt es gar geringere Renditen? Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat gezeigt, dass gerade der Turbo-Wachstum Blasen erzeugt, die früher oder später platzen können und egoistische Zahlenspiele sich somit in Luft auflösen können. Nicht mehr Wachstum und höhere Renditen können die Lösung sein, sondern moderates und stabiles Wachstum mit nachhaltigem Fundament.
Warum also nicht auf stabiles und nachhaltiges Wachstum setzen, wie auch im Garten?
Künstlich hoch gedüngte Tomaten tragen zwar vielleicht am Ende mehr Früchte, doch schmecken sie nicht! Ihnen fehlt das Aroma. Die neuen Apfelsorten mit einheitlicher Form und gleichem Aroma sind zwar gut und schön. Doch macht nicht gerade die Vielfalt den aromatischen Genuss aus? Ist es nicht besser, im Garten auf ein nachhaltiges System zu setzen, als jedes Jahr mit irgendwelchen künstlichen Düngern oder mit der chemischen Keule den Ertrag in die Höhe zu treiben? Ein nachhaltiges System trägt sich irgendwann weitgehend selbst. Es bringt Früchte hervor von hoher Qualität und belohnt den fehlenden Egoismus mit den unterschiedlichsten intensiven Aromen, Farben und vielfältigem Leben.
Fazit der ganzen Überlegung:
Die Birke bleibt stehen, die Altersvorsorge bleibt nachhaltig und ich halte mich fern von Egoismus und Einheitswahn der heutigen Zeit. Mehr noch: Ich stelle mich im entgegen!
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