Das grüne Mäntelchen… von greenwashing und dem bösen Wolf

Das grüne Mäntelchen… von greenwashing und dem bösen Wolf

Es war einmal ein Wolf, der ein Schafswollmäntelchen überzog und durch den Wald spazierte. Da kam ihm ein Kind mit rotem Mützchen entgegen und der Wolf grüßte freundlich.
„Wolf! Das ist doch das Mäntelchen meiner Großmutter. Was hast Du denn jetzt schon wieder angestellt?“
„Was denkst Du denn von mir? Ich war lammfromm und bin auf dem Weg zur neuen Reinigung, hinter den sieben Bergen… „ Greenwashing – die Grünwäscher“, hast Du noch nichts davon gehört? Schneekäppchen hat eine Ich AG gegründet und so eine Eigeninitiative muss man natürlich unterstützen. Ich bin durch Zufall am Haus Deiner Großmutter vorbei gekommen und habe sie gesehen. Da dachte ich mir, ich hätte ja noch einiges gut zu machen. Die Sache mit dem Verschlingen und dem Verkleiden und so… Und ich fragte sie, ob ich ihr denn bei etwas behilflich sein könnte. Daraufhin streckte sie mir den Mantel entgegen.

Wolf - greenwashing
auf dem Weg zur Großmutter 😉

„Kommst Du vielleicht bei der neuen Reinigung vorbei?“
Und natürlich habe ich mich sofort dazu bereit erklärt, das Mäntelchen Deiner Großmutter mitzunehmen, damit sie sich den Weg durch den großen, dunklen Wald erspart. Nicht, dass ihr noch etwas geschieht… Und ich wollte ohnehin meinen Schafspelz mal wieder waschen lassen.“
„Wolf, das hätte ich gar nicht von Dir gedacht. Vielleicht steckt ja doch ein guter Kern unter der harten Schale.“

Apfelbaum - ohne Gentechnik
alte deutsche Sorte

Welche Selbstlosigkeit! Händeringend forschen einige riesige Konzerne daran, Nutzpflanzen derart anzupassen, dass sie auch in unwirtlichen Regionen der Erde überleben können. Dass sie auch mit der extremen Trockenheit in afrikanischen Ländern umgehen können. Dass sie resistent sind gegen bestimmte Erkrankungen und Abwehrmechanismen gegen Schädlinge entwickeln, welche ansonsten die gesamte Ernte vernichten könnten. Ebenso werden die Pflanzen teilweise mit einer Resistenz gegen Gifte ausgestattet, wodurch der Einsatz von Pflanzenschutz- und Unkrautvernichtungsmitteln ermöglicht wird. Die Nutzpflanzen werden zudem zu immer höherer Ertragsstärke gezüchtet und darauf, bestimmte Nährstoffe zu entwickeln, welche der Bevölkerung in den Anbauländern fehlen. All dies zum Wohle der Menschen in den armen Ländern, versteht sich. Völlig selbstlos geben die Unternehmen das Saatgut an die armen Landwirte in den Entwicklungsländern ab…
Wenn dann die erste Ernte eingefahren ist, freut sich nicht nur der Landwirt, sondern vor allem der Konzern. Nicht, weil seine sozialen Anwandlungen Wurzeln geschlagen haben, sondern weil er nun den grünen Schafspelz, in den er gekleidet ist, beiseite legen und sich als Wolf voll entfalten kann. Denn wie vertraglich vereinbart erhält der Konzern 40 Prozent der Ernte bzw. des daraus erwirtschafteten Gewinnes. Außerdem kann sich der Konzern der Abnahme von neuem Saatgut in Zukunft relativ sicher sein. Denn das kostenlos abgegebene Saatgut ist selbstverständlich hybride, was bedeutet, dass eine Vermehrung aus selbst erzeugtem Samen unmöglich oder unwirtschaftlich wäre. – Zumal der Konzern dem Landwirt eine eigene Saatguterzeugung selbstverständlich vertraglich untersagt hat. Außerdem vermarktet der Konzern rein zufällig auch bestimmte Pflanzenschutzmittel, gegen die er die Pflanzen resistent gemacht hat und die er nun an den Landwirt verkaufen kann.
Nach einigen Jahren des Anbaues ist der Konzern leider gezwungen, seine Gewinne zu erhöhen und fordert nun vom afrikanischen Landwirt 50 Prozent seiner Ernte. Der sträubt sich zunächst einmal und überlegt sich, dass er dann gleich wieder die alte Getreidesorte anbauen könnte, die er zuvor genutzt hatte. Allerdings hat er selbst keinerlei Saatgut von damals aufbewahrt, auch die Landwirte in der Umgebung haben kein Körnchen mehr oder wollen es nun ebenso wieder selbst auf ihrem Acker anbauen. Dem Landwirt bleibt gar nichts anderes übrig, als dem Konzern jene 50 Prozent zuzugestehen. Und er hört ein Jahr später, dass jene Landwirte, die ihr altes Korn wieder ausgesät haben, beinahe einen Komplettausfall erlebt haben. Offenbar lag das an dem Gift, das sie über Jahre hinweg auf die Felder mit hybridem, angepasstem Saatgut ausgebracht hatten…
Die Landwirte können demnach die Abhängigkeit von jenen Konzernen mit eigenen Mitteln nur noch schwer brechen, wenn sie erst einmal in den Teufelskreis eingestiegen sind.

Man stelle sich nun vor, ein Konzern schleuse in entsprechende Machtzentralen seine Fürsprecher ein, was schon geschehen ist und noch immer geschieht. Und man stelle sich vor, jene Fürsprecher schlügen vor, dass es künftig nur noch patentiertes Saatgut gäbe und nur noch entsprechend standardisierte Pflanzen angebaut und verkauft werden dürfen. Wie weit wären wir dann noch von einer Art Lebensmitteldiktatur entfernt? Erste Bestrebungen in jene Richtung durch einen großen Saatgutkonzern waren zwischenzeitlich erkennbar, haben aber vorerst nicht zum Erfolg geführt. Doch man kann sicher sein, dass jener Konzern seine Anstrengungen fortführen und intensivieren wird.
Was eine solche Entscheidung bewirken würde, das ausschließliche Vermarkten patentierter, gezüchteter Sorten, wäre das Ende sehr vieler alter Nutzpflanzensorten. Zugleich würde dies die totale Abhängigkeit der Landwirte und damit auch jedes einzelnen Menschen von wenigen, großen Konzernen bedeuten. Denn das dann noch zu vermarktende Saatgut wäre hybride und eine eigene Vermehrung ausgeschlossen und sicher auch verboten. Das Überleben der Menschen hinge dann davon ab, ob sie sich das Saatgut leisten können. Und die Preise könnten von den wenigen Großkonzernen relativ unabhängig gestaltet werden.
Und wer die Welt kontrollieren will, der muss die Lebensmittel kontrollieren…

Ganz von diesen Überlegungen abgesehen steht für mich noch etwas anderes in diesem Zusammenhang in Frage. Wollen wir wirklich nur noch einen Bruchteil der Vielfalt nutzen, uns diktieren lassen, was uns schmeckt? Uns sagen lassen, so schmeckt „Tomate“ und nicht anders? Wollen wir wirklich zulassen, dass Pflanzen genetisch verändert werden und ihre Freisetzung erfolgt, ohne dass genau erforscht wäre, was sie eigentlich bei der Umwelt und den Konsumenten bewirken? Wollen wir pestizid- und herbizidverseuchte Felder tolerieren und eine damit verbundene Zerstörung von biologischer Vielfalt und die Ausrottung von Wildkräutern? Und wollen wir riskieren, uns auf wenige, bestimmte Hochleistungssorten zu konzentrieren und dadurch den Ausbruch einer übergreifenden Pflanzenkrankheit riskieren? Bei den Bananen findet dies momentan statt. Hier wurde eine bestimmte Sorte gefördert und angebaut, weil die Früchte möglichst groß und süß waren. Nun bedroht ein Pflanzenpilz diese Sorte und vernichtet ganze Bestände. Die ursprünglicheren, nicht hoch gezüchteten Sorten, sind dagegen weitgehend immun.
Wollen wir wirklich eine Standardisierung in allen Lebensbereichen? Und eine Patentierung des Lebens? Wollen wir, dass das Erbgut und damit eine bestimmte Lebensform Eigentum eines Konzerns wird, der deren Verbreitung steuern kann, wie immer er es will?

So sieht aus meiner Sicht keine erstrebenswerte Zukunft aus. Der Widerstand muss wachsen und genau das tut er auch in meinem Garten. Da wächst kein einziges hybrides Gemüse. Vielmehr existiert dort eine leckere Vielfalt. Noch stehen die Tomatensorten auf der Fensterbank – Sorten wie „Zahnrad“, „Roma“, „Weiße Schönheit“, „Pfirsisch“, „Black Plum“, „Yellow Submarine“, „Johannistraube“ „Resi“ und wie sie noch alle heißen. Bald werden die Sorten im Garten aufblühen und eine bunte Mischung verschiedener Farben, Formen und vor allem Aromen liefern. Daneben wächst dann der „Forellenschluss“, ein leckerer Schnittsalat aus Österreich, in Mischkultur mit der „Möhre Duwicker“. Ganz in der Nähe treibt der „Sauerampfer“ sowie bald der „Portulak“. Im Treibhaus wird in kürze die „Weiße Salatgurke“ ihr Wachstum starten. Im Kartoffelbeet wachsen, neben sechs Kartoffelsorten, wie den „Rosa Tannenzapfen“ und den „Blauen Schweden“, vor allem auch einige Kürbissorten wie der „Ungarische Blaue“ und „Pattison“ sowie einige Pflanzen „Bantam-Mais“.
Viele jener Sorten stehen auf der Roten Liste, gehören zu den bedrohten Nutzpflanzen, die bereits durch den Einheitswahn verdrängt wurden. Stoppen wir diesen Trend und beenden den Wahnsinn, der durch Machtgier und wirtschaftliche Interessen getrieben wird. Wie könnte eine Revolution friedlicher und schöner gelingen, als durch den Anbau alter Kultursorten im Garten? Und vor allem, wie könnte sie besser schmecken?

Inzwischen war Herbst im Wald und das Mädchen mit der roten Mütze stand bei seiner Großmutter im Garten, als plötzlich der Wolf angetrabt kam.
„Das wird ja auch Zeit!“, rief die Großmutter, als sie den Wolf mit dem Schafspelz erspähte. „Es ist bald Winter.“
„Ja, deshalb habe ich auch etwas ganz Besonderes für Dich.“
„Das ist nicht mein Wollmantel.“, erkannte die Großmutter schnell.
„Nein, leider ist er unterwegs verloren gegangen. Aber ich biete Dir diesen schönen Wollmantel für nur eintausendfünfhundert Pfifferlinge.“
„Eintausendfünfhundert?“, stöhnte die Großmutter, „Die Reinigung hätte nur eintausend gekostet.“
„Aber dafür hast Du einen neuen Mantel.“
Die Großmutter ertastete den Stoff und schüttelte den Kopf.
„Das ist ja ganz rau. Ist das Mausefell?“
„Das ist momentan in. Sieht gut aus und wurde alles nach der neuen Goldspinnverordnung verarbeitet.“
„Hält aber nicht lange. Das Fell fällt ja jetzt schon aus.“
„Das macht nichts. Nächstes Jahr gibt es ohnehin eine neue Kollektion und ich bin da als Mantelverkäufer stets Dein Ansprechpartner.“
Die Großmutter zögerte und der Wolf schmunzelte.
„Bedenke, dass Du vor dem Winter keinen neuen Mantel bekommen wirst, außer von mir heute. Von daher überleg es Dir gut!“
Die Großmutter blickte den Wolf missmutig an, dann drehte sie sich zu ihrer Enkeltochter um und ging mit ihr einige Schritte weiter.
„Ich denke er hat Recht. Ich bekomme sonst keinen Mantel mehr, muss im Winter frieren. Daher lauf los zum Jäger und sag ihm, er soll hierher kommen. Er braucht dieses Mal aber keine Backsteine mitzubringen. Sag ihm, dieses mal geht’s drum, ihm das Fell über die Ohren zu ziehen…“

Feld ohne Gentechnik ;-)
Feld ohne Gentechnik 😉

Anmerkung: Der Wolf stellt hier einmal mehr die skrupellose und hinterhältige Charaktereigenschaft des Menschen dar. Wölfe an sich sind wertvolle und schützenswerte Geschöpfe und sie sind nicht böse!

Christiane Loch
Author: Christiane Loch