Heute Morgen erwachte ich mit den Worten eines Radio-Kommentators. Er beschwerte sich über den gesetzlichen Ladenschluss. Dieser, und die gesetzlich verordnete sonntägliche Verkaufspause, würden den Onlinehändlern die Kunden in die Arme treiben. Die Regelung sei zudem eine Bevormundung der Bevölkerung,und er beteuerte, dass er selbst sehr wohl sonntags einkaufen wolle. Und dass die Lust, am Sonntag zu shoppen allgemein weit verbreitet sei.
Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit erscheint seine Aussage besonders plausibel.
Doch was ist eigentlich mit den Menschen, die die im Einzelhandel arbeiten? Die dann auch noch „Sonntagsschichten“übernehmen müssten? Haben diese auchLust, ihre Zeit für die Wünsche der Kunden zu opfern? Wollen sie auf das Zusammensein mit ihren Familien und Freunden verzichten und lieber arbeiten? Sind sie bereit dazu, kräftig Überstunden zu machen, da Arbeitgeber bekanntlich am Personal sparen?Diese Fragen hat sich der Kommentator natürlich nicht gestellt. Er und seine Bedürfnisse waren der Mittelpunkt.
Eine seltsame Botschaft zum Beginn Adventszeit, der Zeit der Nächstenliebe. Und doch passt die Aussage so gut in unsere Zeit. Am Ende ist dann doch jeder auf seinen Vorteil aus und ist sich selbst der Nächste.
Überhaupt… Was ist eigentlich von Weihnachten, dem Fest der Besinnung und der Nächstenliebe, geblieben? Da gibt es den Limonaden-Weihnachts-Truck, das Rentier mit der roten Nase, goldene Knusper-Weihnachtskugeln im Joghurt. Und ganz viele Super-Sonder-Angebote zum Fest. In der Fernsehwerbung grinsen einen kommerzielle Weihnachtsmänner entgegen und preisen Produkte an. Überall strahlen die Weihnachtsbeleuchtungen um die Wette, prangt der Weihnachtsschmuck an Bäumen, Häusern, in Gärten und an den Fenstern.Die Festtagsmenüs werden teilweise schon geplant. Geschenke werden ausgesucht, 285 Euro – so hat man ebenso im Radio verkündet – gibt der Durchschnittsdeutsche für Geschenke aus. Kommerzen zum Fest der Herzen also…?
Wo ist der wahre Geist des Weihnachtsfestes? Jener, den man noch in den alten Liedern erkennt? Die von der „Stillen Nacht“, der „Heiligen Nacht“ handeln, wo man von der „Fröhlichen Weihnacht überall“ singt? Wo ist dieser Geist? Irgendwo liegt er, zusammengeknüllt wie die Tonnen Geschenkpapier, die jedes Jahr nach Einmalverwendung im Müll landen.
Es ist das Fest der Nächstenliebe, zu dem sich Shopper um den letzten freien Parkplatz und den letzten Plasma-TV im Regal streiten, sich beinahe die Köpfe um die schönste Nordmanntanne auf dem Markt einschlagen. Und an den Obdachlosen vorüber gehen, ihr Geld lieber in die Shoppingtempel bringen. Ein Fest, zu dem gequälte Mastgans oder Pute zur Heiligen Nacht auf den Tisch kommt, Pastete aus Stopfleber von gequälten Kreaturen… Bei dem Gedanken würden Esel und Ochs aus der Krippe Betlehems davon galoppieren…
Weihnachten ist das Fest der Besinnung, in der sich die Menschen heutzutage doch fast bis zur Besinnungslosigkeit durch die vollen Innenstädte quälen, um ihre Geschenke beisammen zu bekommen. In der sie sich im Verpackungs-, Dekorations- und Kochwahn zum Fest schließlich, aufs Schärfste gereizt, gegenseitig an die Kehle springen und es zum großen Showdown unterm Weihnachtsbaum kommt…
Na ja, vielleicht ist das alles ja etwas überspitzt dargestellt. Doch steckt nicht doch ein Stück Wahrheit dahinter? Weihnachten entfernt sich immer mehr vom wahren Sinn!
Wagen wir doch mal den Absprung! Verschenken wir Zeit, anstatt Armbanduhren! Verschenken wir gemeinsames Erleben anstatt das Neueste an Multimedia. So echt kann kein Plasma-TV erstrahlen, wie es die Realität tut. Erleben wir gemeinsame Momente, anstatt jeden x-beliebigen Moment mit der neuen Digitalkamera festhalten zu können. Denken wir auch mal an die „fröhliche Weihnacht überall“. Fröhlich wird die Mastgans auf dem Teller nicht gewesen sein, nachdem man ihr regelmäßig ein Rohr in den Magen geschoben und Mastfutter hinein gepumpt hat, bis sie schließlich nach Turbomast geschlachtet wurde. Auch der Textil-Produzent in Bangladesch wird mit Hungerlohn und Ausbeutung wahrscheinlich kein allzu fröhliches Weihnachtsfest erleben. Und ob jemand fröhlich wird mit pestizidbelasteter Nordmanntanne im Wohnzimmer oder neuen giftigen Lederschuhen an den Füßen, bleibt auch fraglich.
Dabei gibt es Möglichkeiten, das Fest der Liebe nachhaltiger und besinnlicher zu gestalten. Und das muss keinen Spaßverlust bedeuten. Ja, es kann sogar ein Gewinn sein.
Es beginnt bereits bei der Auswahl der Geschenke: Fair gehandelt ist besser als selbst billig erworben und anderswo teuer erkauft. Ein Nachhaltigkeitssiegel bei Holzprodukten (FSC) oder ein Biosiegel bei Kosmetik & Co. sollte man bevorzugen, wenn man verhindern möchte, dass das Geschenk eine schlechte Auswirkung auf die Umwelt und damit auf Mensch und Tier hat.
Bei Elektrogeräten sollte die höchste Energieeffizienzklasse bevorzugt werden, und nicht die höchste Bildschirmdiagonale. Bei Textilien ist der unechte Pelz dem echten vorzuziehen, da der Nerz und andere Tiere unter katastrophalen Verhältnissen ihr Dasein fristen und alles andere als „fröhlich“ sind. Und vielleicht wähltman ja auch ein Produkt aus, das aus Biobaumwolle und fair hergestellt wurde.
Doch es muss noch nicht mal ein„Produkt von der Stange“ sein. Selbstgemachtes wäre die Alternative. Vielleicht freut sich die Tochter über einen schönen, selbst gestrickten Schal? Oder der Vater über ein selbst gebautes Wildbienenhotel? Hat man eine künstlerische Ader, kann man zum Beispiel ein Aquarell-Bild oder ein Ölgemälde aus der Region anfertigen.Eine Mischung selbst gemachter Kuchen in Gläsern erfreut das Schleckermaul mehr, als etwas, das es im Supermarkt in Masse zu kaufen gibt.
Auch etwas Immaterielles kann man verschenken. Was halten Sie zum Beispiel von Eintrittskarten ins Kabarett? Oder aber eine Jahreseintrittskarte für einen Tierpark? So können gemeinsame Erlebnisse, gemeinsame Zeit, verschenkt werden. Und Zeit ist doch wohl das Wertvollste, was man einem anderen Menschen schenken kann, oder?
Mit all diesem verringert man zudem den ökologischen Fußabdruck zum Fest, folgt der Botschaft der Nächstenliebe und lässt sich nicht vom Konsumwahn verführen.
Bild: FotoHiero / pixelio.de
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