Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier… – Steht dann die Boing vor der Tür.
Ein Blick aus dem Fenster in den Abendstunden offenbart, wie sehr das Jahr fortgeschritten ist. Hunderte Watt strahlen in die Dämmerung und Nacht, erleuchten nicht nur die Hausfassade des Nachbarn, sondern gleich die Fassade des Hauses gegenüber und die Straße. Eigentlich könnte man getrost die Straßenlampe ausschalten, denn ihr Licht erblasst beinahe in der Flut der tausend Lämpchen. Mit jedem Rentier und jedem Schneemann, jeder weiteren Lichtgestalt und jedem zusätzlichen Birnchen scheint sich die Gefahr zu erhöhen, dass beispielsweise die allabendlich um 22:02 Uhr über den Himmel donnernde Maschine irrtümlich zu früh zur Landung ansetzen könnte…
[caption id="attachment_2757" align="alignleft" width="300"] by_A. Liebhart_pixelio.de[/caption]Doch nicht nur jener eine Nachbar hat Haus und Vorgarten heller beleuchtet, als mancher sein Wohnzimmer. Auch in den Fenstern und Vorgärten vieler anderer Nachbarn blinkt und glitzert es, strahlt das Licht. Es ist schön, wenn in der dunklen Jahreszeit, im Advent und an Weihnachten Lämpchen und Birnchen leuchten. Doch es ist wie bei allem im Leben: Maß und Ziel wäre auch ganz schön.
Vor kurzem war auch das Fest des „Sankt Martin“. Da singen die Kinder „Ich geh mit meiner Laterne – und meine Laterne mit mir. Dort oben leuchten die Sterne – und unten leuchten wir.“ Inzwischen ist es so, dass wir hier unten so viel leuchten, dass wir dort oben die Sterne am Himmel gar nicht mehr sehen. Ich war vor einigen Jahren im Urlaub in der Schweiz und dort in Gimmelwald – einem sehr kleinen Ort mitten in den Alpen im Berner Oberland. Als ich hier spät abends das Haus verließ, war es stockdunkel und man hat wirklich nichts gesehen. Am Himmel ließ sich tatsächlich ein Stück weit ein Band erkennen – ein weißes Band aus Sternen. Die Milchstraße. Noch unsere Urgroßeltern sahen sie in jeder klaren Nacht. Wir dagegen schauen in die Röhre. Gerade im Rhein-Main-Gebiet, in dem überall Licht strahlt, ist nichts mehr zu sehen von dem Wunder über unseren Köpfen. Dafür strahlen kitschige Weihnachtsmänner und Rentiere in die Nacht. Die Weisen aus dem Morgenland hätten heute wahrscheinlich ein Problem, den Weg weisenden Stern zu sehen und ihm zu folgen.
Dabei strahlt es auch im Frühjahr, Sommer und Herbst hinaus in die Nacht. Da wären die Scheinwerfer des Frankfurter Flughafens, die Flutlichter verschiedener Stadien und Arenen, die Strahler, welche jedes Wochenende die Kirchen anstrahlen. Aber da wären auch die Straßenlampen, die oftmals sinnlos Licht auch nach oben oder zur Seite hin reflektieren, obwohl sie ja nur dafür angebracht wurden, die Straße zu beleuchten. Werbetafeln und Leuchtreklame erhellen die Einkaufspassagen auch noch, wenn fast keine Passanten mehr die Werbung lesen können. Auch in Industriegebieten leuchten einige Werbetafeln sinnlos. Es strahlen Halogenlampen in die Nacht hinein, welche auf Privatgrundstücken in Höfen und an Häusern installiert wurden, um – per Bewegungsmelder – potentielle Einbrecher abschrecken sollen. Sind die Bewegungsmelder allerdings falsch eingestellt, ist ein vorbei fahrendes Auto oder eine umher streunende Katze Grund genug, dass 300 Watt fünf Minuten lang die Nacht zum Tag machen. Und sind die Strahler dann auch noch falsch ausgerichtet, so wie bei einem von mir etwas entfernt wohnenden Nachbarn, so bekommt man alle fünf Minuten jene 300 Watt ins Schlafzimmer geleuchtet.
Es lebe die Stromverschwendung – wie viele Kohlekraftwerke könnte man abschalten, wenn man unsinnige Lichtquellen einfach deaktivieren oder optimieren würde? Wie viel Geld könnte man einsparen, würde man jene Verschwendung stoppen? Wie viele Sterne könnte man am Himmel sehen, würde man ihn nicht mit Lichtsmog derart überhäufen, dass die Milchstraße in jenem Lichtermeer regelrecht versinkt? Und wie viele schöne Träume könnte man träumen und welche Unmengen Schlaftabletten könnte man sparen, würde man das Lichtproblem im Allgemeinen angehen?
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass für einen guten Schlaf auch eine dunkle Nacht notwendig ist. Die REM-Schlafphasen werden durch Lichteinwirkung nachweislich gestört, die Phasen werden kürzer, der Schlaf nicht so tief, wie er für eine Erholung notwendig wäre. Die Zeit der Träume wird verkürzt. Daher ist es wichtig, im Dunkeln zu schlafen.
Nun hat der Mensch im Idealfall die Möglichkeit, an den Fenstern Rollläden oder Jalousien zu schließen – möglichst lichtdicht. Er hat die Möglichkeit, auf einen Radiowecker mit heller Anzeige zu verzichten oder ihn aber derart aufzustellen, dass die Anzeige nicht unnötig viel Licht in den Raum abgibt.
Doch was ist mit den Tieren, die draußen leben? Jene, die vom Tag- und Nachtrhytmus abhängig sind? Die nicht eben mal die Vorhänge zuziehen oder die Rollläden schließen können? Ist es für sie Stress, dass es nachts plötzlich auch ungewöhnlich hell ist? Ich denke, dieses Thema ist in der Öffentlichkeit noch nicht angekommen. Doch was macht die Amsel?
Ich habe auf einer Fahrt nach Dänemark an einer Autoraststätte mitten in der Nacht eine interessante Entdeckung gemacht. Hier flatterte eine Amsel umher unter dem Dach jener Raststätte, oberhalb der Zapfsäulen. Und sie erschloss sich somit eine neue Nahrungsgrundlage. Sie fing an den Lampen umher flatternde Nachtfalter. Eine gute Sache also – könnte man denken. Da bekommt die Amsel doch ihr Futter und die Nachtfalter werden auf Trab gehalten.
Doch was passiert, wenn sich noch mehr Amseln und andere Vögel an diesem Nachtfaltermenü bedienen? Wenn noch mehr jene Nische besetzen? Sind die Vögel dann auch am Tage aktiv? Leiden sie dadurch unter Stress? Fangen sie am Tag auch noch Insekten, oder vermehren sich diese dann ungehindert, da die Nachtfalter einfach besser schmecken? Und was machen eigentlich die Fledermäuse, die die Nachtfalter ja eigentlich fangen würden? Können sie im Konkurrenzkampf mit der Schwarzamsel bestehen? Tagsüber werden sie nämlich sicherlich nicht jagen. Und nicht zuletzt: Was machen die Nachtfalter? Sie leiden ja bereits unter den Straßenbeleuchtungen mit hellem Licht. Normalerweise orientieren sie sich am Mond und an den Sternen. Da die Straßenlampe jedoch heller leuchtet, als der Mond, fliegen sie alle an die Lampe und flattern um sie herum. Sie geraten in eine Art von Licht-Irrgarten, denn sie verlieren völlig die Orientierungund flattern entweder direkt gegen die heiße Straßenlampe und verbrennen sich. Oder aber irgendwann schwinden ihre Kräfte, sie fallen erschöpft zu Boden, sterben dort. Kommen nun auch noch die Amseln ins Spiel, werden die Falter in ihrer Lichtfalle auch noch direkt gefangen. Die Population von Nachtfaltern geht – wie die vieler anderer Schmetterlinge – immer weiter zurück. Futter- und Nektarpflanzen werden immer seltener. Ein neuer Fraßfeind und immer mehr helle Lichtquellen könnten viele Falterarten aussterben lassen.
Doch nicht nur Falter werden durch die Lichtverschmutzung beeinflusst. Zugvögel wie Kraniche sind bereits über den Lichtkegeln Laser-Shows stundenlang gekreist. Während man unten zu wilden Beats getanzt hat, haben oben Zugvögel die Orientierung verloren und immer mehr Energie. Energie, die sie bei den tausende Kilometer weit reichenden Flügen dringend benötigen. Solche Ereignisse können den Tod der Tiere bedeuten.
Und nicht zuletzt eine Frage: Wann haben Sie zuletzt Glühwürmchen gesehen? Das sind Käfer, deren Männchen mit Hilfe eines chemischen Prozesses eine Art biolumineszentes Licht erzeugen und dadurch Weibchen anlocken. Ist es zu hell, bleibt das Licht wirkungslos und die Weibchen finden nur noch schwer zu den Männchen. Sicherlich ist die Lichtverschmutzung nur in geringem Maße daran schuld, dass es immer weniger Glühwürmchen gibt. Doch neben dem schwindenden Lebensraum – also natürlichen Wiesen – und der Vergiftung durch Pestizide und andere Gifte, ist der Lichtsmog eben auch ein Grund für den Rückgang der Art.
Gegen Scheinwerfer an den Flughäfen und in Fußballstadien sowie auf Sportplätzen können wir relativ wenig tun. Doch wir können uns politisch dafür einsetzen, dass die Straßenbeleuchtungen nach und nach durch andere Lichtquellen ersetzt werden. Solche, die für Nachtfalter keine Anziehung mehr ausüben. Solche, die tatsächlich nur die Straße und nicht den Himmel beleuchten. Es gibt sehr viele positive Beispiele, bei denen die LED-Technik zum Einsatz kommt. Hierdurch wird nicht nur der Lichtsmog reduziert. Es wird auch jede Menge Energie gespart, da die LED-Technik deutlich weniger Strom verbraucht als herkömmliche Leuchtmittel.
Wir können bei uns am Haus, im Hof und im Garten auf unnötige Lichtquellen verzichten. Wir können Bewegungsmelder optimal einstellen, können die Strahler so ausrichten, dass sie tatsächlich auch nur den Boden bestrahlen und nicht die gesamte Nachbarschaft aus dem Schlaf reißen. Wir können auch hier LED-Strahler einsetzen, die mit 6 Watt deutlich weniger Strom verbrauchen, als ein 300 Watt Halogen-Strahler. Und die eben auch genug Licht abstrahlen, um einen Einbrecher in die Flucht zu schlagen. Wir müssen nicht mit Unterwasserstrahlern unseren Teich beleuchten. Und man muss auch nicht unbedingt einen Baum im Garten mit Strahlern anleuchten, wie ich es auch schon gesehen habe. Vielleicht tut es ja auch nur ein schönes Rentier mit Schlitten im Vorgarten? Oder ein Weihnachtsmann an der Eingangstür? Oder eine einzelne Lichterkette in der Fichte vorm Haus – anstatt einer Lichterflut an der Hausfassade? Eine schöne Dekoration anstatt ein Blendwerk.
In diesem Sinne… Viel Spaß beim Dekorieren!