Gedanken vom Grünschreiber über unsere Bio Siegel Wir hatten die Wahl! Und was haben wir daraus gemacht? Das wird sich noch erweisen… Aber wie auch immer. – Während des Wahlkampfes war ein Phänomen mal wieder deutlich zu beobachten. Aus allen Ecken kamen jene gekrochen, die sich ansonsten für die Meinung des Volkes eigentlich nicht wirklich interessieren. Überall lächelte einem ein Gesicht an, wohin man auch ging, und strahlte diese unausgesprochene und aufdringliche Aufforderung aus… Wähl mich! Ich bin gut! Ich bin der Retter vor roten Socken, Gegner oder Befürworter des Veggie-Days, Verfechter des Spaßes mit vulgären Gesten auf Titelblättern oder aber des Mindestlohns, der D-Mark oder des grenzenlosen Internets. Volle Breitseite mit Argumenten, Hetzkampagnen, Wortspielereien und Denunziantentum. Es war beinahe wie ein unaufhörliches Gurren im Balzwahn eines Taubers. Überall versuchte man, zu umgarnen und zu werben. Mir drängte sich ein wenig dieser alte Witz in den Sinn, der besagt, dass Politiker eben auch wie Tauben seien. [caption id="attachment_1210" align="alignleft" width="267"] Bio-Eier[/caption] Sind sie unten, fressen sie einem aus der Hand. Haben sie dann genug gefressen, wurden sie ordentlich mit Stimmen gefüttert, bekommen sie einen Höhenflug, steigen einem aufs Dach, entledigen sich überflüssiger Ballast-Stoffe. Und der vorherige Gönner sieht dann im Zweifel ordentlich bescheiden aus. Jeder der Kandidaten streckte sein Konterfei in die Kamera, erzählte von seinen Vorzügen. Hätte man all diese Vorzüge einmal gesammelt, hätte man ganze (Märchen-)Bücher damit füllen können. Man rückte sich alles so zurecht, wie es gerade passte. Doch die wenigstens Wähler sind gewillt, das Wahlprogramm aller Parteien durchzulesen, zumal selbst dieses ja auch keine Rechtsverbindlichkeit besitzt. Zudem gibt es sich teilweise wie verschlungenes Versicherungschinesisch mit einem Touch Phantasie und Enthusiasmus. Umso schöner war der Wahlomat. Im Internet konnte man Fragen beantworten und am Ende bekam man dann die Parteien mit den größten Schnittmengen mitgeteilt. Eine gute Sache im Dschungel der Parteienlandschaft. Viele haben es auch genutzt. Als ich dasaß und diesen Wahlomat auch einfach mal zum Spaß ausprobierte – denn ich hatte meine Wahl bereits per Brief getroffen – kam mir irgendwann eine Idee. Wie gut wäre ein solcher Wahlomat auch mal im Supermarkt… Da lächeln einem täglich imaginäre „Gesichter“ entgegen in Form von Verpackungen mit tollen Bezeichnungen, lecker ausschauenden Inhaltsstoffen. Als gesund deklarierte Lebensmittel… Doch wie gesund ist die „Extra Portion Milch“ wirklich? Wie schaut es hier mit der Extra Portion Zucker aus? Die steht nicht drauf, ist aber wohl drin. Frische Brötchen aus der Supermarkt-Bäckerei sind wirklich frisch…, also frisch aufgebacken und selbst der Teig wurde nicht frisch hergestellt, sondern in einer Fabrik gefertigt mit tollen Zusatzstoffen, eingefroren und dann irgendwann wieder aufgetaut. Da gibt es das leckere Joghurt, dessen Milchgeber auf einer grünen Wiese abgebildet sind. – Und in Wirklichkeit in der Massentierhaltung ihr Dasein fristen. Und es gibt Eierproduzenten, die tatsächlich auf ihren Verpackungen mit Hühnern werben, die auf Wiesen vor einem Hof picken. Dieses „Huhn-im-Glück-Märchen“ kann man jedoch getrost in den allgemeinen Politikmärchen-Buchband aufnehmen. Kartoffeln stammen aus „kontrolliertem Anbau“… – Man kann hoffen, dass der Bauer den Anbau kontrolliert und nicht einfach die Knollen in ein Erdloch schüttet und erst im Herbst zur Erntezeit wieder auftaucht. Mehr bedeutet diese Anmerkung aber nicht. Zum Glück aber gibt es auch Siegel – viele, viele bunte Siegel. Da empfiehlt ein Institut eigens dieses und jenes Lebensmittel. Wer die Untersuchung in Auftrag gab, auf die sich das Qualitätssiegel nun bezieht, steht dort nicht geschrieben. Es war der Hersteller selbst und wer zahlt hat recht. Der Kunde ist König und da käme doch ein Institut, das für eine Analyse bezahlt wird, nicht auf die Idee, allzu kritisch zu testen. Auch gibt es Siegel, die umweltfreundlich hergestellte Textilien zieren. Unzählige solcher Bio Siegel … Es gibt Siegel, die darauf hinweisen, dass ein Produkt tierversuchsfrei hergestellt wurde. Aber was bedeutet nun dieses „tierversuchsfrei hergestellt“? Bezieht sich diese Bezeichnung nur auf das fertige Produkt, hat man also den Lippenstift nicht auf Katzenlippen getestet? Dass in den Versuchslaboren keine Katzen mit getuschten Wimpern, Kanarienvögel mit lackierten Krallen, Hunde mit gepuderten Nasen herum laufen, oder Goldfische mit einer Pflegedusche gereinigt werden, versteht sich irgendwie von selbst. Ist es dann also eher so, dass Inhaltsstoffe, die den Lippenstift ausmachen, nicht an Tieren getestet wurden? Nein! Hier zeigt sich mal wieder das Gurren der Werbestrategen, die nichts anderes tun, als die Werbestrategen der Politiker vor den Wahlen. „Tierversuchsfrei“ klingt gut, ebenso wie „frei von Gentechnik“. Doch beides ist eine Art von werbechinesisch. „Tierversuchsfrei“ bezieht sich teilweise wirklich nur auf das fertige Produkt. Ob die ursprünglichen Inhaltsstoffe an Tieren getestet wurden – darüber sagt der Begriff rein gar nichts aus. „Frei von Gentechnik“ heißt in Wirklichkeit nicht, dass das Produkt frei von Gentechnik ist. Es heißt nur, dass die eingesetzte Gentechnik nicht nachweisbar sein darf. Kurz gesagt: Man darf sich nur [caption id="attachment_2360" align="alignright" width="300"] Damit es alle Kühe mal so haben kämpft die Kampagne KUH DU[/caption] nicht dabei erwischen lassen… Gibt man Kühen beispielsweise genetisch verändertes Soja oder Mais zu fressen, ist das erst mal egal. Hauptsache, es ist nicht mehr nachzuweisen. Dann ist es „Frei von Gentechnik“. Ein wenig erinnert es auch wieder an die Politik. Man kann ganz viele Wahlversprechen machen. Man muss sie dann nur so geschickt umschiffen und darf sich nicht erwischen lassen, wenn man sie bricht. Doch glücklicherweise gibt es ja wenigstens das „Bio Siegel“. Oder doch eher die Bio Siegel? – Viele Bio Siegel? Ein Buch mit sieben Siegeln? – Mit mehr als sieben Siegeln? Da gibt es dieses wabenartige Siegel, außerdem existiert das europäische Siegel mit den Sternen. Dann gibt es noch Siegel von unterschiedlichen Anbauverbänden. Es gibt Fair-Trade-Siegel ebenso wie Siegel von nachhaltigem Anbau. Na was denn nun? Überall lächeln einem im Supermarkt diese Siegel entgegen. Und keiner weiß so recht, was sie denn eigentlich zu sagen haben. Hauptsache kaufen! Hauptsache wählen! – Wählt mich! Ich bin gut! Ich bin besser als meine Konkurrenz! Das kommt mir alles so bekannt vor. Nur dass es im Supermarkt zugeht wie im Taubenschlag. Überall flattern und gurren sie einem entgegen – die Lockvögel. Was soll man „füttern“, was soll man meiden? Ja, es fehlt wahrlich ein Wahlomat für den Supermarkt! Einer, der die Spreu vom Weizen trennt. Der die hohen Ansprüchen der Bio-Anbauverbände von den Mindeststandards staatlicher Siegel abhebt. Und der Blender und Werbelügner einen Riegel vorschiebt. Der verhindert, dass dem Verbraucher ein „A“ für ein „Z“ verkauft wird. Und das Beste an der Sache ist: Wer im Supermarkt richtig wählt, verändert die Gesellschaft vielleicht mehr, als es durch die Wahl von Parteien und Kandidaten überhaupt möglich ist. Eine Veränderung in einer auf Gewinnerzielung ausgerichteten Gesellschaft, die immer mehr dem Kapitalismus anheim fällt und der grenzenlosen Globalisierung, geschieht am besten durch den Konsum. Hier ist der Hebel, der wirklich etwas in Bewegung setzen kann!