Table of Contents
Wirklich? Sind sie das?
Haben Sie schon mal nachgeschaut – nach Amsel, Drossel, Fink und Star? – Von der ganzen Vogelschar zu schweigen…
Bereits Hoffmann von Fallersleben besang die Tiere im 19. Jahrhundert als Frühlingsboten und was gibt es auch Schöneres, als das einsetzende Gezwitscher an einem ersten milden, sonnigen Tag nach einem ewig langen und trüben Winter? Wie diesem vergangenen Winter, der mit seinen vielen trüben Tagen einen Rekord aufgestellt hat.
Wenn man nun aber mal nach draußen geht, sich umschaut und umhört, ist die ganze Vogelschar gar nicht mehr so groß. Was ist also los mit unseren gefiederten Freunden?
Da war im letzten Jahr die Rede vom großen Sterben der Amsel.
Das Usutu-Virus hatte vielen Tieren den Garaus gemacht. Klar, dass es nun weniger dieser Tiere gibt. Und dann ist ja auch noch die böse Miezekatze, die durch die Gegend läuft und es gar nicht abwarten kann, die Singvögel zu jagen. Und zwei weitere Gesellen klettern durch das Geäst, um die Vogelbrut direkt aus dem Nest zu rauben, oder gar bereits die Eier. Die Rede ist von Eichhörnchen und Siebenschläfern. Dann sind da ja auch noch die diebischen Elstern, die die Nester leer räumen.
Binden wir Katzen ein Glöckchen um den Hals und geben die Elster zum Abschuß frei
Schon werden die Rufe laut, der Miezekatze ein Glöckchen um den Hals zu binden, damit auch jedes Beutetier auf 50 Meter Entfernung hört, dass Kater Lucky auf der Suche nach seinem Mittagshäppchen ist. So sei die Vogelwelt zu retten… Dass aber Lucky – wie viele seiner Artgenossen – meist nur sehr selten einen Singvogel erwischt und zugleich Mäuse- und Rattenvertilger ist, welche auch durch das Glöckchen gewarnt werden, ist bei dieser Diskussion zweitrangig. Ganz zu schweigen davon, dass so ein Glöckchen Lucky & Co. doch in den Wahnsinn treiben müsste. Man stelle sich vor, ein Mensch liefe durch die Gegend und es bimmele bei jedem Schritt. – Gut, da ist die Sache mit dem Handy und bei manchem Zeitgenossen scheint dieses wirklich bei jedem dritten Schritt zu bimmeln. Doch der Handynutzer hat die Option, das Gebimmel abzustellen. Lucky kann das nicht und wird somit sehr schnell zum Unlucky.
Man spricht davon, Elstern wieder zum Abschuss frei zu geben. Dass diese Vogelart aber noch vor Jahren vom Aussterben bedroht war und ihre Bestände sich gerade erholen, ist auch nicht maßgebend. Ganz zu schweigen davon, dass sie auch eine wichtige Rolle in der Schädlingsvertilgung spielt.
Kurzum – Schuld am Vogelschwund sind zunächst mal die Anderen. Das Virus, die Katze, Siebenschläfer und Eichhörnchen und nicht zuletzt die böse Elster.
Nicht der Mensch. – Gott bewahre! Die Krone der Schöpfung wäscht sich die Hände in Unschuld und geht danach wieder raus in den Garten, in dem sie alle größeren Bäume gefällt und alle heimischen Hecken durch exotische Mini-Varianten eines Strauches ersetzt hat. Das Blumenbeet wird regelmäßig durch Pestizide unkrautfrei gehalten, von Schädlingen befreit und mit Kunstdünger gedüngt. Auch den alten Baum mit seinen Astlöchern und Höhlen draußen auf dem Marktplatz hat man mit Hilfe einer Bürgerinitiative fällen lassen. Zu viel Laub hatte er abgeworfen.
Aber – Vogelfreund, wie man ist – hat man natürlich keine Mühe gescheut und im Garten
eines von diesen dekorativen Nistkästen aufgehängt, eines im Fachwerkstil und der Aufschrift „Pension Meise“. Dünne sperrhölzerne Wände, ein zu kleines Einflugloch sowie die falsche Ausrichtung des Selbigen verhindern zwar jeglichen Bezug, doch der gute Wille ist es bekanntlich, der zählt. Außerdem kann man auch ein wenig Flexibilität von Meisen erwarten, wenn man ihnen schon ein Heim bietet. Und dann sind ja auch noch die Meisenknödel, mit denen man die armen Vögel den Winter über am Leben erhalten hat. Oder besser am Leben erhalten wollte. Denn keine einzige Meise hat sich an dem Knödel sehen lassen. Dass man in solchen Industriewaren die billigsten Fette einsetzt – Industriefette – und dass diese teils dioxinhaltig sind und der Meise Appetit wie Magen schnell verderben, ist nur eine wenig verbreitete Randinformation.
Kurzum – Schuld am Vogelschwund sind die Anderen.
Und ganz nebenbei sind die Tiere zwar gut und schön. Doch wenn sie sich dann erdreisten, sich über dem neu gewaschenen Wagen ihres Kots zu entledigen, platzt dem größten Tierfreund auch der Kragen. Und er fragt sich, weshalb denn die Vogelschar so groß sein muss.
Um diese Frage beantworten zu können, ist ein Blick in die Lebensweise des Vogels notwendig. Was macht denn solch eine Meise zum Beispiel den lieben langen Tag, außer zwitschern, brüten – wenn sie hierfür einen Nistplatz hat – und den Lack von Autos zu beschmutzen oder gar zu ruinieren?
Nun, sie macht eine ganze Menge! Würde der konventionell angehauchte Gartenbesitzer der Meise mal die Gelegenheit geben, ihm zu zeigen, was sie kann, würde er Augen machen. Denn gerade während der Brutsaison entpuppt sich nicht zur die Kohlmeise zum wahren Gärtnerfreund. Denn sie fängt Unmengen an Blattläusen und auch schädlichen Raupen, verfüttert den Fang an die Jungen oder vertilgt ihn selbst. Außerdem fangen Meise & Co. auch Stechmücken, was nicht nur dem stichgeplagten Freiluftgriller zugute kommt. Vögel im Allgemeinen sorgen dafür, dass sich Insekten nicht derart vermehren können, dass sie große Schäden anrichten. Sie sind ein wichtiges Bindeglied im Ökosystem. Sicher bietet die chemische Industrie ein großes Kampfstoffarsenal gegen Blattläuse. Und natürlich bieten spezielle Lampen auch die Möglichkeit, Stechmücken zu verbrennen, ehe sie zustechen können. Doch beides kostet Geld – die Natur macht es gratis! Pestizide gehören zu den Biogiften. Und ein Gift das speziell dazu konzipiert wurde, Leben zu vernichten, dürfte auf den Tomaten direkt neben dem Blumenbeet, in der Luft beim Ausbringen und nachfolgend in den Lungenbläschen oder auf der Haut des Gärtners keine positiveren Eigenschaften entfalten.
Der Natur ein Stück weit ihren Lauf zu lassen, ist in diesem Fall absolut ungiftig. Und ganz nebenbei ist es spannend, den Meisen und ihren anderen gefiederten Kollegen zuzuschauen, wie sie sich auf die Jagd begeben, ihren Nachwuchs mit Futter versorgen, singen und durch die Gegend flattern.
Daher gilt es zunächst einmal bezugsfertige Nistkästen im Garten anzubringen, auf Pestizide zu verzichten, auch mal ein paar Bäume stehen zu lassen und lieber heimische Hecken – die Vogelwelt freut sich auf Feuerdorn, Vogelbeere & Co – zu pflanzen. Und lassen wir auch mal hier und da ein wenig Unkraut stehen, freut sich nicht nur der Distelfink über Samen von Distel & Co.
Auf dass wir auch morgen noch guten Gewissens einstimmen können…
Alle Vögel sind schon da! – Alle Vögel, alle!
Schreibe einen Kommentar